Sonntag, 21. Oktober 2012

Gepflegte Dekadenz: Küchenparty in den Haderbräu Stuben Wolfratshausen

Am Eingang der Haderbräu Stuben in Wolfratshausen prangt ein unmissverständliches Schild: Heute geschlossene Gesellschaft. Ein flüchtiger Blick hinter die halb geöffnete Tür offenbart festlich eingedeckte Tische und eine Din-A-4 große Speisekarte an jedem Platz. Überschrift: Küchenparty 20. Oktober 2012. Die Gastgeber: Das Ehepaar Nadja und Max Plötz, die bereits in den vergangenen Jahren - damals noch in ihrer ehemaligen Gaststätte in Bad Tölz - zur beliebten Küchenparty geladen haben.


Nach der persönlichen Begrüßung geht es zunächst nach draußen in den Innenhof. "Nur nicht schüchtern sein, nimm dir beim Winzer ein Gläschen Haussekt und vergiss die Austern nicht!" Mit diesen Worten entlässt Wirtin Plötz mich in die Hofanlage. Austern? Noch nie gegessen, nur immer merkwürdige Dinge darüber gehört: kalt, schleimig, fischig. Wo haben diese Leute bloß ihre Austern gegessen? Diese hier jedenfalls, frisch aus der Normandie, werden erst vor meinen Augen geknackt, leicht aus ihrer Schale gelöst, mit frischem Zitronensaft beträufelt und schmecken alles andere als schleimig und fischig. Im Gegenteil: Sie sind zwar eisgekühlt, aber angenehm bissfest, mit leichter Meersalz-Note. Guter Start! Es folgen Häppchen, unaufdringlich herbeigetragen von den Kellnerinnen: winzige Eiswaffel-Hörnchen mit Kalbsleberkügelchen und Avocadomus, außerdem frischer Tartar vom Karimi-Lachs auf Wakame. Zählt das jetzt eigentlich schon zu den insgesamt 12 Gängen auf der Karte? Die Austern schon, die Häppchen nicht. Also besser noch ein bisschen Hunger aufsparen, auch wenn die Hors d'oeuvre schon sehr locken.

Drinnen am Tisch geht die Party dann erst richtig los. Vorstellung der Köche: Neben Küchenchef Max Plötz und seinen Angestellten stehen heute Abend auch Holger Zurbrüggen vom Restaurant Balthazar aus Berlin, sowie Maja Valkema und Gerd Albert vom Robinson Club Amadé aus Salzburg am Herd. Und natürlich die rund 60 geladenen Gäste, denn wer will, darf in der Küche mit anpacken. Wie ich erst später herausfinde, bezieht sich das "mit anpacken" aber eher aufs Anrichten und gelegentliche Abschmecken, als dass man selbst den Kochlöffel schwingt. Schade eigentlich - andererseits gut für die Gäste, die nicht mithelfen, sondern nur ihre Speisen genießen wollen. Ich engagiere mich spontan als Trüffelverteiler auf dem Weißkraut für den Bachsaibling - und entschuldige mich hiermit bei allen Gästen, falls ich mit dem teuren Gut doch ein bisschen zu sparsam war... Dafür ist die Stimmung in der Küche umso besser: Die Köche witzeln um die Wette und schmeißen nach dem fünften Gang außerdem ihr uraltes Kassetten-Radio an, um Al Banos und Romina Powers "Felicita" durch den Raum schallen zu lassen. Kein Wunder, dass das Essen bei so guter Stimmung ein ziemlicher Volltreffer wird.

Vom zweiten Gang an - der Horchersuppe - folgen die restlichen Küchenkreationen Schlag auf Schlag: Gebrannte Creme vom Ziegenkäse, die alle zunächst für Créme Brulée halten; Thailändische Kichererbsensuppe mit Perlhuhn - einer meiner Favoriten; Bachsaibling an getrüffeltem Weißkraut; Zitronengras-Risotto mit thailändischen Garnelen und Muscheln; Wachtelbrust mit Entenstopfleber, Pfifferlingen und Trüffelpüree; Maultaschen mit Wasserbüffelfüllung, Kardamom und Daikon; Rotweinsorbet; Hirschroulade im Crépesmantel mit Preisselbeersoße und Serviettenknödel; Milchrahmstrudel mit Zimtschaum; und zu guter Letzt eine Créme Brulée mit Zwetschgenröster. Die Pause zwischen den einzelnen Gängen ist so kurz, dass kaum Zeit bleibt, die ganzen Speisen zu verdauen. Und so merke ich bereits nach dem sechsten Gang, dass sich ein nicht zu leugnendes Sättigungsgefühl einstellt. Ab da wandert höchstens noch die Hälfte der Tellerportion in meinen Magen, anders wäre es kaum zu bewältigen.

Unterm Strich kann ich mich über keinen der Gänge wirklich negativ äußern. Es sind eher Nuancen, die vielleicht nicht Jedermanns Geschmack sind. Ich bin zum Beispiel kein großer Fan von Koriander und empfand eben dieses Gewürz in den beiden Thai-Kreationen als zu intensiv. Ebenso wie der Anteil an Kardamom in der Soße zur Wasserbüffel-Maultasche, die den eher zarten Geschmack des bis dato unbekannten Fleischs regelrecht übertüncht hat. Über Entenstopfleber lässt sich streiten. Für mich persönlich ist allein ihre Produktion ein Unding, weshalb ich auf die Wachtel, die damit marmoriert war, verzichtet habe. Nichtsdestotrotz gehört sie hier und da zur Sterneküche eben dazu und es ist spannend, auch einmal einen Blick in die Heiligen Hallen echter Profis werfen zu dürfen.

Mehr Fotos zur diesjährigen Küchenparty gibt's übrigens auf Facebook!

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